Kraft / Schlagwirkung / Schnelligkeit

Die Frage, wie schnell, mit welcher (eigenen) Kraft man auf ein Ziel trifft ist die eine Seite. Ob man mit dieser Schlagkraft auf Energie übertragen kann, ist eine ganz andere Frage.

Aber anders als hier einige meinen, es handelt sich um rein physikalische Gesetze, die hier ein Rolle spielen. Man sollte in diesem Zusammenhang mal Sir Isaac Newton und seine Gesetze der Bewegung ein wenig studieren, dann wird man das eine oder andere besser verstehen.

Die Kraft, mit der meine Faust auf Ziel auftrifft, muss durch meinen Körper auch absorbiert werden. Das heißt: Ich kann mit 100 kg Schlagkraft auf das Ziel treffen, doch genau diese Kraft kommt auch wieder in meine Faust zurück (Actio = Reactio). Das bedeutet für die Praxis: Ohne einen festen Stand, ohne eine komplette Ganzkörperspannung, wird mich meine einige Schlagenergie zerstören, denn die Kraft kommt vom Ziel durch meine Faust zu mir zurück und nur wenn ich diese absorbieren kann, ist es möglich, die Kraft auf das Ziel zu übertragen und meine Kraft auf das Ziel wirken zu lassen.

Insofern kann ich die Bemerkung zum „Leichtkontaktkarate“ weiter vorn im Thread nicht ganz verstehen. Ohne Kime gibt es keine Technik und nach meinem Verständnis ohne Technik auch keine Wertung. Wertungen gibt es nur für effektive Techniken … Es ist sehr bedauerlich, wenn die Technik zugunsten einer vermeintlich besseren Bewertung aufgegeben wird.

Was die Schnelligkeit angeht, so muss unterschieden werden zwischen der Schnelligkeit der Faust und der Schnelligkeit des Fauststoßes aus der Bewegung.

Ich teile die Auffassung nicht, dass eine Übung an Sandsäcken die Schnelligkeit der Technik zu verbessern hilft. Die Nutzung Thera- oder Deuserbändern schon eher. Vom Einsatz von sog. „Armmanschetten“, also Gewichten an Armen oder Beinen rate ich dringend aus gesundheitlichen Gründen ab. Durch die Gewichte ist die Trägheit beim Fauststoß oder Fußstoß ungemein größer als ohne Gewichte und Verletzungen der Ellbogen bzw. Kniegelenke die unausweichliche Folge.

Eine Übung im Kiba Dachi (meinetwegen auch Zenkutsu Dachi) mit Renzuki od. Choku Zuki od. Kizami Zuki / Gyaku Zuki usw. fördert die Schnelligkeit der Faust. Wichtiger ist jedoch, die Schnelligkeit der großen und langsamen Muskelgruppen zu trainieren und das sind die Beine und die Rumpfmuskulatur. Insofern sollte mehr Augenmerk auf Übungen aus der Bewegung heraus gelegt werden. Da die Rumpfmuskulatur die langsamste ist, muss die Bewegung dort beginnen (Körperverschiebung). Die Ferse des hinteren Beines gibt die „Initialzündung“, sie stößt gegen den Boden, um den Körper nach vorn zu verschieben (Reaktionskraft). Diese Kraft wird über das Bein in die Hüfte geleitet. Die Hüfte steuert die Bewegung(srichtung) und verschiebt den Körperschwerpunkt nach vorn, wobei das Standbein die Bewegungsenergie verstärkt.

Ebenso wichtig wie der schnelle kräftige Start der Bewegung und der Verschiebung der Hüfte ist am Ende der Bewegung das vordere Bein, welches die gesamte Bewegungsenergie abfangen muss, um eine effektive Technik aus einem festen Stand heraus zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang ist die korrekte Stellung des hinteren Beines wiederum von großer Bedeutung. Die Kraft mit der das Ziel getroffen wird, kommt direkt in unseren Körper zurück. jegliche Kraft geht immer den Weg des geringsten Widerstandes. Wenn keine perfekte Körperspannung vorhanden ist, wird die auf das Ziel einwirkende Kraft drastisch reduziert (im Schnitt 50 Prozent und mehr). Eine hochgezogene Schulter, ein nicht fest aufgesetztes hinteres Bein, eine mangelnde Körperspannung, ein falscher Trefferwinkel – all dies sind Faktoren, die die Wirkung der Technik beeinflussen.

In Bezug auf den Oi Zuki ist die Faust der letzte Teil des Körpers, der die Bewegung übernimmt. Beginnend mit den großen, langsamen Muskelgruppen, steigen die schnellen, kleinen Muskelgruppen erst zuletzt in die Bewegung ein.

Auch die Körperspannung im Endpunkt der Technik hat Einfluss auf die tatsächlich übertragene Kraft. Werden die Muskeln in der falschen Reihenfolge angespannt, ist keine effektive Technik mehr möglich, weil beispielsweise die Stellung die Armtechnik mangels korrekter Spannung nicht mehr unterstützen kann.

Im Beginn der Bewegung müssen alle Muskeln ganz locker sein. Je entspannter desto besser, während im Endpunkt alle Muskeln, beginnend von den Füßen, über Beine, Hüften, Bauch und Rücken hin in die Arm angespannt sein müssen. Je perfekter die Entspannung am Beginn und je kompletter die Anspannung am Ende, desto stärker die Technik.

All dies sind Punkte, die der Trainer / Lehrer wissen müsste, um sie entsprechend umzusetzen. Frage am besten Deinen Trainer, denn wie Funakoshi Sensei einmal sagte „Du kannst nicht mit Worten üben“

Eine korrekte Technik, eine starke Technik, eine schnelle Technik entwickelt man nur durch fortgesetzte Übung.

Rein körperlich gesehen sprechen wir immer gern von der Automatisierung von Bewegungen. Bis eine Bewegung wirklich automatisiert ist, brauchen wir – und das ist wissenschaftlich erwiesen – mindestens 70.000 Wiederholungen. Nun frage sich jeder selbst, wie viele Wiederholungen eines Oi Zuki er bisher in seinem Karateleben gemacht hat. Es kommt selten eine Übungsstunde zusammen, in der tatsächlich einmal 1000 Oi Zuki geübt werden …

Unabhängig davon kann man ja gut und gerne auch 1000 Oi Zuki üben. So lange sie nicht richtig ausgeführt werden, ist die Übung immer noch wertlos.

Maßgeblich ist die natürliche Veranlagung, d.h. das Verhältnis der roten zu den weißen Muskelfasern.

Meint ihr, dass ein guter 100 Meter Sprinter einem guten 10000 Meter Läufer in der Schnelligkeit seiner Schläge normalerweise überlegen ist?

Man kann natürlich nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Denn Schnelligkeit bei Schlägen trainiert kein Läufer. Allerdings wird der 100-Meter Läufer den Ausdauerläufer auf dessen Distanz unter normalen Bedingungen niemals schlagen können, ebensowenig wie dies im umgekehrten Fall eintreten wird.

Mit entsprechendem Training wird sich entsprechend den natürlichen Voraussetzungen zeigen, dass der Sprinter auch in Bezug auf die Schnelligkeit bei Schlägen gewissen Vorteile mitbringt. ABER: Durch intensives Training können diese natürlichen Vorteile zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden. Voraussetzung: Beide trainieren gleich und im selben Umfang. Dann wird erneut der Sprinter in Bezug auf die Schnelligkeit aufgrund seiner individuell besseren physischen Voraussetzungen besser sein als der Langstreckenläufer.

Ein Wolf wird nun einmal niemals ein Lamm werden und umgekehrt. Die physischen Voraussetzungen können wir nicht verändern sondern nur in gewissen engen Grenzen in die eine oder andere Richtung beeinflussen.

Kommentieren