Kämpfen oder nicht kämpfen

Die oberste Regel in den Kampfkünsten ist noch immer, einem Kampf wenn irgend möglich aus dem Weg zu gehen. Das heißt im Besonderen, konfliktträchtige Situationen vermeiden.

Wenn ich des Nachts durch dunkle Straßen gehe, wissend das dort häufig Überfälle stattfinden oder sich zwielichtige Gestalten aufhalten, ich gleichwohl aber einen möglicherweise längeren, aber sicheren Weg hätte nutzen können, so brauche ich mich nicht zu wundern, wenn ich in schwierige Situationen gerate. Ebenso verhält es sich mit anderen Lokalitäten. Wo es stets und ständig Streit und Schlägereien gibt, geht man besser gar nicht erst hin, es sei denn, man steht auf so etwas. Dann muss man sich allerdings die Frage gefallen lassen, ob man sich wirklich nur noch „selbst verteidigen“ will oder doch andere Absichten hat.

Auch durch provozierendes Handeln jeglicher Art kann man einen Angriff ausführen. Auch ein Angriff gegen die Ehre kann eine Selbstverteidigungshandlung rechtfertigen, die man dann selbst natürlich lieber als Angriffshandlung des anderen auslegt. Wer konfliktträchtige Situationen von vornherein meidet wird in seinem Leben wahrscheinlich nie in die Lage geraten, dass was er in den Kampfkünsten erlernt hat, jemals einzusetzen.

Wir lernen primär nicht, um uns oder anderen etwas zu beweisen und schon gar nicht sollte der Sinn des Trainings darin bestehen, die dort erlernten Techniken so schnell wie irgend möglich in einer mehr oder weniger ernsten Situation auf „Alltagstauglichkeit“ zu testen. Nicht zuletzt sollte der Kampfsportler nicht vergessen, dass die Gerichte den Einsatz seiner Fähigkeiten weit strenger beurteilen, als den Faustangriff oder selbst den bewaffneten Angriff eines durchschnittlichen Schlägertyps.

Aufgrund seiner Fähigkeiten und Kenntnisse wird von dem Kampfsportler besondere Besonnenheit beim Einsatz und der Auswahl seiner Techniken gegen Angriffe jeglicher Art gefordert. Es gibt nicht wenige Urteile, in denen Kampfsportler und nicht der Angreifer verurteilt wurden, nur weil der Kampfsportler nach Ansicht der Gerichte unangemessen gehandelt hat – insbesondere unter Berücksichtigung seiner durch das Training erlangten Fertigkeiten und Kenntnisse.

Vor diesem Hintergrund kann es eigentlich nur einen Schluss geben: Konflikte meiden und lieber einen Schlag einstecken. (Das sollte man ja eigentlich auch im Training gelernt haben.) Den Meisten geht es doch letztlich nur darum, den anderen seine Überlegenheit zu beweisen. Was vergebe ich mir, wenn der andere glaubt besser zu sein als ich? Lasse ich ihm doch seinen Glauben und sein Gefühlt der Überlegenheit, wenn es ihm hilft. Immer noch besser, als im Krankenhaus oder – noch schlimmer -auf dem Friedhof zu landen.

Wenn es um Leib und Leben geht, ist es etwas Anderes. Niemand muss sich ohne Gegenwehr misshandeln oder umbringen lassen.

Fazit des Ganzen: Gewalt hat noch nie Probleme gelöst, sondern immer nur wieder neue hervorgerufen (denke doch einfach mal an Palästina oder an andere Krisenherde in der Welt).

Die beste Art, einem Angriff zu entgehen besteht noch immer darin, nicht da zu sein. Kämpfen ist immer nur als ultima ratio zu verstehen, immer nur dann darf ich meine Kenntnisse einsetzen, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt.

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