Sempai oder Sensei

Als Senpai oder Sempai bezeichnet man nie einen älteren Schüler, zu dem man eine direkte Beziehung pflegt, der im Dojo unterrichtet. Ein Sempai ist ein Mentor, d.h. ein älterer Schüler, der sich ganz speziell eines jüngeren (neuen) Schülers annimmt und ihm weiterhilft und unterstützt, wo er nur kann. Deshalb ist ein älterer Schüler, der vorn steht und unterrichtet fast nie der Sempai, für die anderen, denn er kann wohl kaum ein solch besonderes und inniges Verhältnis zur ganzen Klasse pflegen.

Ein Lehrer wird sich selbst nie als Sensei bezeichnen. Wenn er von sich selbst spricht, verwendet er das Wort „Kyoshi“, was Lehrer bedeutet. Sensei ist eine Anredeform, die andere verwenden, wenn sie den Lehrer ansprechen. Es ist aber gleichfalls die Anrede für Ärzte und Rechtsanwälte.

Es gibt in Japan keine Alters- oder Graduierungsgrenze, die erreicht sein muss, um als Sensei angesprochen zu werden.

Wer unterrichtet, ist der Sensei – ganz gleich ob es ein Blau-, ein Braun- oder ein Schwarzgurt ist. In Japan werden Lehrer nicht mit „Herr Kobayashi“ (Kobayashi san) angesprochen, sondern mit „Kobayashi sensei“. Unabhängig davon kann jedoch der Lehrer, Sensei, aufgrund eines besonderen Verhältnisses zugleich auch der Sempai sein. Natürlich würde man in Japan in diesem Fall der Höflichkeit halber wohl schon eher die Anrede „Sensei“ wählen.

Es ist eine Unsitte der westlichen Welt, alles nachzuahmen und auch hier einzuführen, ohne den rechten Sinn der Übung zu verstehen. Vieles in Japan (und anderswo im Fernen Osten) ist der Tradition entwachsen und existiert schon sehr lange. Wir müssen uns nicht abmühen und versuchen, diesen Traditionen hier in unserer Welt neue Sinne zu verleihen, die es in Wirklichkeit nie gegeben hat.

Ein Sensei ist jemand, der mich etwas lehrt, der mich positiv beeinflusst.

Selbst Schwarzgurte haben niedriger Graduierte mit Sensei angesprochen, wenn diese unterrichten mussten.

Wer wen einen Lehrer nennt, ist doch die Sache eines jeden Einzelnen. In Japan ist die Anrede „Sensei“ eine Frage der Höflichkeit und des Respekts, den man anderen gegenüberbringt. Sensei ist grundsätzlich jeder, der lehrt – einfach nur ein Lehrer – nichts weiter.

Warum sollte man einen Gelbgurt nicht als Lehrer bezeichnen können? Was sagt die Graduierung denn über den Menschen und seine Fähigkeiten aus? Dies ist doch nur ein äußerliches Zeichen, dem eigentlich keinerlei Bedeutung beigemessen werden sollte…
Auch hier muss ich Dir im Grunde Recht geben, aber Du verkennst eines: Der Sensei ist in Japan immer nur der direkte Lehrer (Leiter) eines Dojo. Auch andere Lehrer im Dojo werden mit Sensei angesprochen, da sie ja auch Lehrer sind, aber hier muss dann aber doch sehr deutlich zwischen der Anrede „Sensei“ und dem tieferen Sinn des Wortes „Sensei“ unterschieden werden.

Ich werde hier einmal einen kurzen Abriss zu den 3 wichtigsten Punkten von unserer Homepage einstellen – vielleicht hilft das ja ein wenig weiter…

Was ist ein Sensei?

Sen ist ein japanischer Ausdruck und bedeutet „vorn“. „Sei“ bedeutet, das „Leben“, „Geburt“ oder „lebendig“. Daher ist der Sensei ein Lehrer. Es ist früher geboren und verfügt daher für gewöhnlich über mehr Wissen. Man nennt sich nicht selbst Sensei. Dieses Wort wird nur verwendet, wenn man sich an den Lehrer wendet, niemals aber, wenn dieser über sich selbst spricht. Das Wort Sensei hat auch die Bedeutung von Respekt und Achtung. Man bezeugt sich selbst jedoch keine Achtung. Wenn man von sich selbst spricht, verwendet man das Wort Kyoshi. Es geziemt sich auch nicht von anderen zu verlangen, als Sensei angeredet zu werden. Es zeugt von Dummheit und Unkultiviertheit obendrein, das Wort Sensei auf Visitenkarten, Jacken, Anzügen und Trainingstaschen zu schreiben. Wenn man älter als der Lehrer ist, so ist die Verwendung des Wortes Sensei gleichfalls unpassend.

Wie soll ich mich gegenüber dem Sensei verhalten?

Wahrscheinlich ist Dein Lehrer sehr höflich und verlangt weder, dass Du Dich vor ihm verbeugst, noch dass Du ihn mit Sensei anredest. Doch gerade hierin liegen die Gefahren. Diskutiere nie mit Deinem Lehrer, wenn er Dir während der Übungsstunde einen Fehler aufzeigt oder Deine Technik verbessert. Auch spitze Bemerkungen und Scherze sind dem Lehrer gegenüber unangebracht. Liegt Dir das Wort Sensei nicht, dann wende Dich doch einfach mit der Anrede Herr (Name) oder Frau (Name) an Deinen Lehrer.

Wer ist der Senpai?

Wenn Du in einer Firma eine Arbeitsstelle übernimmst, wird Dich manchmal ein Mentor unter seine Obhut nehmen und Dich in alles Notwendige einweihen. Dies geschieht häufig auch zwischen älteren und jüngeren Schülern im Karate. Zumeist sieht der ältere Schüler in dem jüngeren ein gewisses Potential und tut dann sein Bestes, um ihm weiter zu helfen. In Japan ist dieser Mentor Dein Senpai. Der Bedeutung nach ist der Senpai immer älter und erfahrener. Das zum Begriff „Sensei“ gesagte gilt auch hier. Es gehört sich nicht, auf der Anrede Senpai zu beharren oder diesen Schriftzug irgendwo auf den persönlichen Sachen zu vermerken. Der Begriff Senpai wird von der westlichen Kulturwelt weit verbreitet missverstanden und sollte daher tunlichst keine Verwendung finden.

Einige meinen, dass stets der am höchsten Graduierteste der Sensei sei, während der in der Hierarchie zweithöchste Rang der Senpai sei. Dies ist falsch und zeugt von Unkenntnis der japanischen Kultur. Jeder, der Lehrer oder älter als man selbst ist, kann Sensei genannt werden. Auch an Anwälte und Ärzte kann man sich mit der Anrede Sensei wenden. Das Wort Senpai wird nur gegenüber dem persönlichen Mentor verwendet. Genauso gut kann man seinen Senpai auch Sensei nennen, wobei diese Bezeichnung jedoch dem eigentlichen Lehrer vorbehalten bleiben sollte.

In vielen Karate-Vereinen gibt es die Angewohnheit, den am höchsten graduierten Schüler Sensei zu nennen. Nur dann ist jemand Dein Senpai, wenn dieser ein persönliches Interesse daran hat, Dich seinen Junior zu beraten. Er hilft Dir bei Deinem Aufstieg, verwendet einen Großteil seiner Zeit darauf, Dich zu beschützen und auszubilden, zahlt Deine Rechnungen… Hast Du diese Beziehung zu allen älteren Schülern? Ich glaube nicht. Und gerade deshalb sind sie auch nicht Dein Senpai, sie sind höher Graduierte – nichts weiter.

Wer ist der Kohai?

Der Kohai ist der Jüngere in der Beziehung Senpai – Kohai. Viele in unserem Kulturkreis nehmen diese Terminologie zu wörtlich und meinen, dass alle, die der Graduierung nach unter ihnen stehen, ihr Kohai und alle über ihnen stehenden Schüler ihr Senpai seien. Dies ist falsch. Um Senpai zu sein, musst Du Dich jemandem persönlich annehmen, ihn einweisen, ausbilden und lehren und zudem älter (älter an Jahren und älter an Erfahrung) als dieser sein.

Der höchstgraduierteste Schüler eines Vereins wird nicht Senpai genannt. Diese Praxis hat sich in Japan aus einem anderen Grund herausgebildet und wurde in Europa ohne größere Überlegung einfach übernommen. Die großen Karate-Vereine in Japan sind an den Universitäten angesiedelt. Neue Mitglieder in diesen Vereinen waren regelmäßig die Erst-Semstler und viele Erst-Semstler hatten unter den älteren Studenten einen Mentor, einen Senpai. So wurde dieser Sprachgebrauch durch europäische Studenten an den japanischen Universitäten ohne nähere Kenntnis der eigentlichen Hintergründe in das Karate übernommen. Auch japanische Kinder nennen die älteren immer Senpai, wenn sie mit ihnen vertraut genug sind. Niemand nennt jemanden in Japan „Kohai“. Dies wird als unhöflich angesehen.

2 Kommentare zu „Sempai oder Sensei“

  • Leonard:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    seit fast 5 Jahren bin ich auch Karateka und habe bereits den 3. Kyu des Braungurtes. Doch bis heute habe ich noch viele Fargen offen. Meine erste Frage ist, wie die Bezeichnungen der einzelnen Sempais, Senseis und Kyoshis funktioniert (wer kommt als erstes und wie geht es dann stufenweise weiter runter) ?
    Meine nächste Frage wäre, wie die Verleihung des 10. Dans gehen würde und warum behauptet wurde, dass man ein Idiot sei, wenn man es zu Lebzeiten schaffen würde den 10. Dan zu erreichen ?

    Im Vorraus bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit

    Mit freundlichem Gruß
    Leonard Küster

    • ralphp:

      Ein Sensei ist ein Lehrer. Ein Sempai ist kein Lehrer, sondern ein älterer Schüler, als jemand, der ebenfalls noch lernt.
      Kyoshi ist lediglich eine andere Bezeichnung für Lehrer. Es gibt Verbände, die den Titel des Kyoshi oder Renshi verleihen, was aber letztlich keine allgemeine Gültigkeit hat. Im japanischen Sprachgebrauch wird „Sensei“ in der Regel vom Sprecher nicht verwendet sondern es ist der Anrede vorbehalten. Die Schriftzeichen für Sensei bedeuten „älteres Leben“, also jemand der mehr Lebenserfahrung hat. Ein Doktor der Naturwissenschaften, ein Professor, ein Rechtsanwalt, auch ein Arzt wird als „Sensei“ angesprochen. Ein Lehrer wird über sich selbst und seinen Beruf sprechend für gewöhnlich „Kyoshi“ verwenden, wobei aber auch „Sensei“ anzutreffen ist.
      Viele Kampfsportschulen wollen sich einen besonders traditionellen Anstrich verleihen und legen Wert auf japanische Begriffe, wobei diese Begrifflichkeiten aber oft nichts mit der Lebenswirklichkeit in Japan zu tun haben. Diese Leute sind oft japanischer als die Japaner selbst und erhalten in Japan nicht selten ein höfliches aber bedauerndes Lächeln.
      Ein Sempai ist wie bereits erwähnt ein Schüler, der bereits länger dabei ist. Sowohl in der Schule, Universität aber auch auf Arbeit ist jeder, der länger dabei ist automatisch ein Sempai, einer der mehr Erfahrung hat (oder haben sollte). Der Sempai steht in der Hierarchie unter dem Sensei, aber über einem selbst. Im Kampfsport wird auch ein Schüler, der später dazugekommen ist aber jetzt eine höhere Graduierung innehat als Sempai bezeichnet, wobei Sempai in der Regel immer nur im Verhältnis von einem selbst zum anderen betrachtet wird. Insofern ist man selbst stets entweder Sempai (länger dabei) oder später dazugekommen (Kohai).

      Da man sich sein Leben lang stets verbessern kann, also niemals Perfektion erreichen kann, der 10. Dan aber gerade die höchste Stufe der Perfektion ausdrückt, ist ein Verleihen des 10. Dan, eines Meistergrads der absoluten Perfektion zu Lebzeiten ein Widerspruch in sich. Jemand, der nach Perfektion strebt und meint, diese erreicht zu haben, ist nicht perfekt. Denn sonst würde er wissen, dass es immer etwas dazuzulernen gibt und dass man sich immer weiter verbessern kann.

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