Lehrgang in Berlin

Am ersten Märzwochenende ging es nach Berlin zu Sensei Namiki. Dieser schien schon bloß auf uns gewartet zu haben, um einmal so richtig zu testen, wie weit wir durchhalten können.

Bei den Anfängern ging es da noch recht gemütlich zu, wenngleich der eine oder andere aufgrund der Restalkoholwerte doch einige kleinere Probleme hatte. Hier wurde am Vormittag Kumite geübt: Kihon Ippon Kumite, wobei Sensei Namiki wie stets seine Schwerpunkte auf schnelle und saubere Techniken legte, tiefer Stand usw. Dies hat einen besonderen Hintergrund: Je schneller die Übung ausgeführt wird, desto mehr kann man trainieren!

Dann in der zweiten Trainingseinheit (jetzt waren die Fortgeschrittenen dran) legte Sensei Namiki los: Es wurde das gesamte Grundschulprogramm für die Shodan-Prüfung absolviert und auch noch Teile des Kumite-Programms. Da einige Übungen sehr schwierig waren, differenzierte Sensei Namiki, d.h. die Blaugurte brauchten die eine oder andere Übung nicht vollständig absolvieren. Die Übungen waren so anstrengend und schweißtreibend, daß alle froh waren, als diese Trainingseinheit endlich vorüber war. Ich glaube, alle haben sich wirklich Mühe gegeben und verausgabt. Nicht zuletzt wegen Sensei Namiki’s berühmten Satz, den er bei den Fortgeschrittenen auch in dieser Trainingseinheit einsetzte: „No spirit, no Kiai – push up!“

Die erste Trainingseinheit war vorüber und nachdem wir uns ein wenig erholt hatten, fuhren wir zum Mittagessen nach Berlin Pankow in eine kleine Pizzeria, wo wir auch sonst zu Mittag aßen. Dieses Mal aber hatten wir hier eine sehr schlechte Bedienung erfahren müssen…

Nach dem Mittagessen ging es wieder zurück zur Halle und wir dachten schon mit Schrecken an die nächste Trainingsheit – wenn die erste schon so anstrengend war, wie sollte dann erst die zweite werden? Doch weit gefehlt – zumindest bei den Fortgeschrittenen ging es in der zweiten Trainingseinheit vergleichsweise gemütlich zu. Zunächst erklärte Sensei Namiki sehr viel zu den verschiedenen Kumite-Formen, was einen Großteil der Trainingseinheit beanspruchte, bevor wir dann selbst praktisch üben durften. Leider war dieser Teil jedoch nur sehr kurz, so daß man gerade einmal „hineinschnuppern“ konnte.

Der Sonntag beinhaltete dann noch eine Überraschung für alle Teilnehmer. Zunächst war eine Trainingseinheit für alle Teilnehmer zusammen angesetzt. Kurz vor Trainingsbeginn kam Sensei Namiki in die Halle und übernahm gleich selbst die Aufwärmarbeit. Gemeinsames Joggen quer durch die ganze Halle – das macht echt Spaß vor allem weil auch Sensei Namiki selbst mitmachte und hin wieder einen Scherz einbaute. Danach kurz Mokuso und dann ging es los: Kata war angesagt. Heute teilte Sensei Namiki die Karateka in vier Gruppen, die von jeweils verschiedenen Schwarzgurten übernommen wurden. Sensei Namiki selbst übernahm die Braun- und Schwarzgurte. Hier sollten alle wichtigen Shotokan Kata angefangen von den fünf Heian Kata über Tekki, Kanku Dai, Enpi, Jion bis Hangetsu geübt werden. Allerdings verkündete Sensei Namiki gleich zu Beginn eine kleine Zusatzaufgabe: Für jeden Fehler bei der Ausführung der Kata gibt es 20 Liegestütze! Gesagt getan – Dirk übersetzte diese kleine Sache noch schnell für die anwesenden polnischen Schwarzgurte und schon ging es los: Heian Shodan – und prompt der erste Fehler: Auf dem Rückweg statt Oi Zuki – Age Uke. „Yame!“ – schallte Sensei Namiki’s Stimme durch die Halle – „Push up!“ Die ersten zwanzig waren fällig. Dirk machte noch eine Geste wie „Ich erschieße Dich für diesen Fehler.“ Doch schon kurze Zeit später verlief er sich selbst in der nächsten Kata. Nach ca. 120 Liegestützen waren die Heian Kata endlich geschafft und es ging mit Tekki Shodan weiter.

Kanku Dai aber setzte dem ganzen den Gipfel auf: Allein die Anfangsbewegung der Kata brachte uns rund 80 Liegestütze ein, da Sensei Namiki aufs genaueste auf die Fingerhaltung achtete. Sensei Namiki schien sich anfangs über jeden Fehler zu freuen. Hatte er einen entdeckt hörte man von ihm ein fröhliches Lachen gefolgt von einem lauten „Yame!“ und schon wußten alle, was auf sie wartete. Nach der Vielzahl der bisher ausgeführten Liegestütze machte es aber den Teilnehmern schon langsam keinen Spaß mehr, obgleich Sensei Namiki diese mit dem Hinweis aufzulockern versuchte, daß auch er mitmachte. Sensei Namiki stand an die Wand gestützt und beugte leicht seine Arme im Rhythmus der Liegestütze ein, machte schließlich ebenfalls an der Wand Liegestütz auf nur einem Finger, seitwärts, rückwärts – alles eigentlich sehr lustig, dazumal er auch noch stöhnte, als ob er es nicht mehr schaffen würde.

Doch dann war der Punkt erreicht, an dem auch Sensei Namiki die vielen Liegestütze zuviel zu werden schienen. Einige Schwarzgurte hatten auch bereits schon angefangen sich gegen diese Trainingsmethode „Liegestütz“ aufzulehnen. Äußerungen wie „Das ist doch kein richtiges Training mehr.“ waren zu vernehmen. Dann begann Dirk Leiding Sensei Namiki zu erklären, daß die Braungurte die Kata Kanku Dai noch nicht kennen würden. Sensei Namiki blickte ungläubig in die Runde und fragte sicherheitshalber noch einmal nach. Dirk erklärte dann noch einmal auf deutsch und fragte die anwesenden Braungurte: „Ihr kennt doch die Kata Kanku Dai noch nicht, ihr seid diese Kata doch noch nie gelaufen…!?“ und schüttelte dazu den Kopf, so daß auch der letzte wissen mußte, wie er zu antworten hatte.

Sensei Namiki ließ es dabei bewenden und erklärte daher die Kata von Anfang an und ließ sie dann üben, so daß allen geholfen war.

Von unserem Verein waren bei diesem Lehrgang leider bloß fünf Mitglieder vertreten, der gewiß wieder viel Neues mit auf den Nachhauseweg gab. Vielleicht sind es ja beim nächsten Mal (im Oktober) ein paar mehr Mitglieder, die die Gelegenheit bei Sensei Namiki zu trainieren nutzen.

Ralph P. Görlach

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