Nachruf

Danny Graßhof ist am 11. Februar dieses Jahres nach kurzer schwerer Krankheit verstorben. Danny ist gerade einmal vierzehn Jahre alt geworden. Mit ihm verschied ein lieber Freund und Trainingsgefährte.

Als ich die Nachricht von Danny’s Tod erhielt war ich tief erschüttert, kannte ich Danny doch von seinen ersten Schritten im Karate an.

Mit zwölf Jahren hatte Danny mit dem Karatetraining begonnen. Im Frühjahr 1993 traf ich Danny in der Förderschule Elsterwerda zum ersten Mal, als ich das Training dort einmal leitete.

Danny Graßhof geb. 23.05.1980 gest. 11.02.1995

Kurze Zeit später fand in Elsterwerda ein Karatelehrgang mit Beate Krüger statt, an dem Danny als einziger seiner Trainingsgruppe teilnahm. Schon da zeigte sich, mit welcher Begeisterung er sich dem Karate widmete. Er war damals der festen Überzeugung, daß jedes Wochenendtraining in Elsterwerda Geld kosten würde und kam deshalb leider nicht öfter zum Training. Leider deshalb, weil Danny in der Tat sehr begabt war.

Ich konnte ihn beim Training beobachten und ich muß ehrlich gestehen – wenn ich nicht gewußt hätte, daß Danny erst vor kurzem mit dem Karatetraining begonnen hatte – anzusehen war ihm dies keineswegs, sahen seine Techniken doch weit besser aus, als bei einigen anderen Lehrgangsteilnehmern, die schon viel länger trainiert hatten als er.

Erst im Herbst desselben Jahres hatte ich nochmals Gelegenheit, mehrere Karatestunden in der Förderschule zu geben. Alles neue Gesichter in der dortigen Trainingsgruppe bis auf eines: Danny war noch immer dabei und trainierte fleißig. Er fragte mich damals, ob er nicht auch im Verein trainieren könne. Ich freute mich natürlich sehr darüber und so wurde Danny im Oktober 1993 Mitglied in unserem Verein.

Von da an versäumte er fast keine Trainingseinheit. Dienstags trainierte er in Bad Liebenwerda, Mittwochs in der Schule, Donnerstags noch einmal in Bad Liebenwerda und Samstags in Elsterwerda. Aus Zeitgründen mußte er zwar die Trainingshäufigkeit im Dojo etwas reduzieren, dafür aber trainierte er zu hause um so mehr.

Im Frühjahr 1994 war Danny beim Lehrgang mit Jan Gebhardt dabei. Siggi Gelz, der diesen Lehrgang eigentlich leiten sollte, war krank und saß neben mir auf der Bank. Ich höre ihn noch wie heute über Danny sagen: „Auf den mußt du ein Auge haben. Er hat eine sehr gute Hüftarbeit. Aus ihm wird einmal ein guter Karateka!“

Zwei Monate später – im April – fuhren Danny, Marco und ich gemeinsam (für Danny zum ersten Mal) zu einem auswärtigen Lehrgang – nach Leipzig, wo wir einen Lehrgang mit Sensei Fujinaga besuchten. Dieser Karatemeister hinterließ bei uns durch seine einfache Art einen so tiefen Eindruck, daß wir beschlossen, abermals zu ihm hinzufahren.

Im Mai sollte Danny endlich an der Prüfung zum Weißgurt teilnehmen, allein ein gebrochener Arm gestattete es ihm nicht. So saß er auf der Bank und schaute zu.

Anfang Juli aber fuhr Danny wieder mit nach Leipzig zu einem Lehrgang mit Sensei Fujinaga. Bei diesem Lehrgang hatte er erstmalig seinen Gürtel vergessen mitzubringen. An diesen Lehrgang kann ich mich noch sehr gut erinnern, denn es war für viele unserer Mitglieder der erste größere Lehrgang, zu dem wir mit einem voll vollbesetzten Kleinbus fuhren. Es war letztes Jahr um diese Zeit sehr heiß und so fuhren wir nach dem Training an einen nahegelegenen See zum Baden.

In den heißen Sommermonaten des letzten Jahres waren Danny und ich zusammen mit einigen anderen Trainingsgefährten des öfteren in Zeischa baden. Wir hatten dabei sehr viel Spaß gehabt…

Im Oktober 1994 bestand Danny bei Siggi Gelz in Elsterwerda die Prüfung zum 9. Kyu (Weißgurt). Er war ob der bestandenen Prüfung überglücklich. Auch ich hatte mich damals zusammen mit Danny gefreut. Ich ahnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, daß dies das letzte Mal gewesen sein sollte, daß ich Danny in seinem Karate-Anzug in einem Dojo sah.

Ich traf Danny nur noch einmal. Es war an einem verregneten Novembertag in Bad Liebenwerda. Ich wollte ihn von Zuhause zum Training abholen, da er schon zweimal nicht zum Training gekommen war – mehr als ungewöhnlich bei Danny – fehlte er doch fast nie unentschuldigt. An diesem Samstagmorgen teilte er mir mit, daß er aufgrund eines Hautausschlages in der nächsten Zeit nicht zum Training kommen könne.

Von seinen Eltern erfuhr ich dann Anfang dieses Jahres, daß Danny an Leukämie erkrankt sei und deshalb im Krankenhaus liege. Er werde aber am Wochenende auf Besuch nach hause kommen. Ich habe fest daran geglaubt, daß Danny wieder gesund werden würde.

Heute mache ich mir bittere Vorwürfe, weil ich Danny nicht im Krankenhaus besucht habe. – Aber das alles bringt leider niemanden mehr zurück.

Danny wird in unserer Erinnerung immer lebendig bleiben. Er ist jenen Weg, den jeder von uns einmal gehen muß, nur vorausgegangen.

Danny sollte uns in Bezug auf seine Trainingseinstellung ein Vorbild sein. Nie ließ sein Eifer nach, noch mehr zu lernen, nie sein Ehrgeiz, die Techniken immer mehr zu verfeinern.

Für Danny war Karate schon zu einem Teil seines Lebens geworden.

„Nur in der Wahrheit zwischen Innen und Außen, Geben und Nehmen, Anspruch und Bereitschaft kann der Mensch frei und unbefangen sein. Ihre Übung macht bescheiden, selbstbewußt und gerecht.“ so versuchte Danny zu leben und zu handeln, wenngleich ihm dies auch nicht immer gelang. – Aber wer ist schon vollkommen?

Es liegt an nun uns, seinen Weg fortzuführen. Dabei sollten wir aber niemals nur so dahinleben. Alles Leben ist vergänglich. Bewußt leben heißt, so zu leben, als sei jeder Tag der letzte. (Ichi michi issho.)

Danny’s Freund und Lehrer Ralph P. Görlach

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